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Dank intensiver Rekrutierungsanstrengungen war der Gesamtkader des Vereins zu Beginn der Saison 1987/88 auf insgesamt 44 angewachsen. Allerdings war die Anzahl jungen Spielern unter 22 Jahren mit gerade mal 2 sehr gering, die meisten Aktiven waren laut Sportstatistik zwischen 22 und 36 Jahre alt (31) , 11 lagen sogar darüber. Aber immerhin konnten wir ab 1987/88 trotz der Gründung des AH-Teams weiterhin auch eine 1. Mannschaft stellen. Die "neue Erste" mußte natürlich dort beginnen, wo die alte zuletzt gespielt hatte, das war seinerzeit die B-Klasse, also die unterste Spielklasse. Aber bereits in der zweiten Saison gelang der Aufstieg in die A-Klasse, wo man ab der Saison 1989/90 kickte. Die Alten Herren spielten in der Oldie-Liga und beendeten die Saison 89/90 sogar auf dem 3. Platz. Eher unerfreulich verlief die traditionelle Weihnachtsfeier am 9. Dezember 1989 im "Kegler-Eck" in der Brandenburgischen Straße, als es zu einem Eklat um die politische Einstellung von Wolfgang Schulz kam, an dessen "spätem und besoffenem" Ende sogar ein Verletzter zu beklagen war. Ein absoluter Tiefpunkt in der Geschichte des Vereins! Die weltpolitische Lage mag auch zur Erhitzung der Gemüter beigetragen haben - immerhin war einen Monat zuvor die Mauer gefallen, was für einen nicht unbeträchtlichen Teil des Vereins auch einen Bruch in ihrem politischen Werdegang bedeutete ...

Die neue Lage hatte aber auch zur Folge, daß nun sportliche Begegnungen zwischen Ost und West einfacher wurden. Wir beschlossen, dies zu einem kleinen Turnier zu nutzen, zu dem wir auch unsere alten Bekannten aus Heidenheim einluden, die dieses Mal als Fußballabteilung des Skiclubs Heidenheim auftraten. Aus der DDR wurde eine AH-Auswahl des DTSB eingeladen, Knallrot war mit beiden Teams am Start. Gespielt wurde am Freitag, 25. Mai 1990, auf zwei Kunstrasenplätzen im Stadion Wilmersdorf. Die Heidenheimer Gäste wurden wie schon bei unserem ersten Turnier 1973 klarer Sieger, die DTSB-Truppe hingegen schlich bedröppelt mit zwei Packungen nach Hause.

Natürlich stellten wir auch für dieses Ost-West-Turnier Förderanträge beim Berliner Landessportbund, schließlich wurden ja bislang auch sportliche Begegnungen mit der DDR unterstützt. Unsere Anträge waren saftig: 1.070 DM für die Heidenheimer, 1.470 für die Gäste aus der DDR. Die Beute wollten wir uns teilen. Umso größer unsere Enttäuschung, denn beide Töpfe wurden kurzfristig angesichts der bevorstehenden "Wiedervereinigung" gestrichen - sogar auf den Bewirtungskosten im BSV-Casino blieben wir sitzen ...

Überhaupt war die AH in diesen Jahren sehr kontakt-und reisefreudig. So empfingen wir 1988, zum 15jährigen Vereinsjubiläum, unsere Gäste aus Heidenheim zu einem Freundschaftsspiel in Berlin (das Ergebnis ist leider nicht überliefert) und ein Jahr später reisten wir wieder einmal nach Treffelstein, wo wir uns eine 2:7-Klatsche abholten.

Insgesamt ging es mit dem Verein aufwärts, zwar nicht finanziell, wohl aber sportlich: die Erste lag in den kommenden Jahren jeweils in der oberen Tabellenhälfte der A-Klasse und in der Saison 1993/94 wurde sie überlegen mit 39:5 Punkten Staffelsieger, was mit dem Aufstieg in die zweigleisige Stadtliga belohnt wurde. Darüber rangierten nur die eingleisigen Verbands- und Landesligen. Die AH schaffte den Aufstieg schon ein Jahr davor, ab 1992/93 spielte man in der AH-Oberliga und belegte auf Anhieb immerhin Platz 8 von 14 Teams, in der Folgesaison sogar Platz 5.

Höhepunkt im Jahr 1993 war natürlich unser 20jähriges Jubiläum! Aus diesem Anlaß veranstalteten wir am 26. Juni im Stadion Wilmersdorf (Plätze 4 und 5) ein AH-Turnier mit den folgenden Gästen: Rot-Weiß Moabit (mit Ex-Herthaner Granitza!), SG Akazie, Hansis Bierstuben, Sportfreunde List (Carstens Heimatstadt auf Sylt), BSG Schultheiß (wo unser Spieler Walter Maier Betriebsarzt war) und natürlich unserer AH. Ein 4:1 gegen Akazie und ein 1:2 gegen Moabit reichten zum Halbfinale, wo List mit 5:0 weggeputzt wurde. So kam es zum Traumfinale gegen das Superteam RW Moabit, das sich im Halbfinale mit 11:1 (!) gegen Hansi durchgesetzt hatte. Ein irres und dramatisches Spiel, das wir völlig überraschend mit 3:2 gewinnen konnten, wobei der ohne Töppen vorbeispazierende Bernie Ratajczak uns noch in der Schlußphase zum Sieg schoß. So gewannen wir entgegen aller Regeln der Gastfreundschaft unser eigenes Turnier. Dennoch erwiesen wir uns als perfekte Gastgeber: so waren 3 offizielle Schiris dabei, ein professioneller Fotograf, es gab - dank Hinkis Organisationstalent - Freibier vom Faß und gratis Bratwüste dazu kleine Präsente für die Gäste. Und die Medien nahmen von diesem Ereignis auch Notiz: Ein Bericht in der FuWo, ein Zweispalter mit Foto in der "Berliner Zeitung", eine große dpa-Meldung und - als Krönung - eine Live-Reportage in "Berlin 88,8", dem damaligen Lokalsender des SFB-Hörfunks. Der Mitschnitt dieser Reportage ist leider verloren gegangen, immerhin liegt noch eine Abschrift vor: - Link zum Scan

Sportlich ging es also aufwärts, finanziell aber weniger. Was die Finanzen des Vereins immer wieder in Schieflage brachte, war neben den ziemlich hohen Jahresbeiträgen an den VFF (jeweils 500 à 600 DM) und der schwachen Zahlungsmoral der Ersten auch die ständigen Strafen wegen angeblicher Verstöße gegen die Spielordnung. Mal war es ein (natürlich völlig unberechtigter) Platzverweis, mal eine angebliche Schiribeleidigung, mal ein Nichtantreten (weil wir nicht informiert worden waren), mal ein abgeschmetterter Protest gegen eine ungerechte Spielwertung – all das wurde mit Geldstrafen geahndet und ging ins Geld! Immerhin konnten wir mit dem "kleinen Italiener" Luciano Belvedere nach langer Zeit mal einen Schiri stellen, was uns die sonst fällige Strafgebühr ersparte - aber Luciano wollte natürlich auch belohnt werden ...

Auch die Teilnahme an Turnieren anderer Vereine kostete einen Batzen Geld. So waren Startgebühren von bis zu 150 DM durchaus üblich, wofür es dann einen mehr oder weniger häßlichen Pokal gab. Als einer der im VFF verbliebenen Gründungsvereine wurden wir natürlich oft eingeladen und konnten bzw. wollten auch nicht immer absagen. Und so finden sich im Knallrot-Fundus neben den in späteren Jahren erkämpften stolzen Siegerpokalen auch eine Menge an kleinen Exemplaren für Turnierplätze unter "ferner liefen".

Klaus Betz